Haben Sie es schon gehört?
In Anturien hat man den drohenden Schuldenkollaps dadurch verhindert, dass die Unternehmen verstaatlicht und die Behörden in Unternehmen umgewandelt wurden.
Der Polizeipräsident bekommt nun, wie auch alle anderen Beamten, nur noch die Hälfte seines bisherigen Gehalts, hat aber die Möglichkeit, wie seine Kollegen von Finanz-, Schul- und Gesundheitsbehörden, sein Einkommen durch sogenannte Drittmitteleinwerbung sowie durch Leistungszulagen wieder auf das vorherige Niveau, und bei besonderen Anstrengungen sogar darüber hinaus, zu steigern; ein durchaus marktwirtschaftlich-unternehmerischer Ansatz zur Motivationsförderung.
Bei der Gehaltskompensation durch sog. Drittmittel erhält er die Chance, seine Bezahlung am Markt selbst zu verdienen, indem er von Sponsoren ehrenwerter Gesellschaften Spendengelder für das Polizeipräsidium einwirbt und dafür Dankbarkeit sowie ein dezentes Schild an der Tür oder eine weniger dezente farbliche Bemalung innerhalb einzelner Räume des Polizeipräsidiums unter Nennung des jeweiligen Spendernamens anbietet.
Da dies jedoch weder nach billiger Reklame noch raffinierter Werbung aussehen und auch nicht unseriös wirken darf, müssen Raumbennungen nach „Al Capone“ oder „Bonnie & Clyde“ trotz verführerisch hoher Sponsorengelder einschlägiger auf Polizeisympathie angewiesener Gesellschaften mit Bestimmtheit abgelehnt werden.
Einzig die Umbenennung eines von der Jagdgenossenschaft gesponserten nüchterner Vernehmungsraumes in „Georg Jennerwein Suite“ konnte aufgrund der im Lied- und Volksgut geheilten Missetaten dieses gesetzlosen Wildschützen von höchster Stelle genehmigt werden.
Aufgrund dieser Hindernisse bei der sog. Drittmittelwerbung werden Sie vielleicht fragen, wie ein Polizeipräsident, der ehrlich bleiben will und muss, durch Leistung auffallen und dadurch sein früheres Gehalt, zumindest ansatzweise, dann wenigstens durch sog. Leistungszulagen wieder erreichen kann.
Sein Versuch, die Einnahmen von Verkehrssündern durch zusätzliche Radarfallen zu steigern, wäre zwar finanziell sehr erfolgreich, würde ihm jedoch keine Leistungszulage einbringen.
Warum?
Weil sich die Leistungszulage nicht am ablesbaren Ergebnis seines unternehmerischen Erfolgs, sondern der Beurteilung dieses Ergebnisses durch andere Polizeipräsidenten sowie diesen vorgesetzte Politiker bemisst. Dadurch wird nun wiederum der marktwirtschaftliche Ertrag unseres Polizeibeamten in unvorhergesehener Weise relativiert.
Der dessen Unternehmergeist beurteilende und begutachtende Vorgesetzte ist nämlich in seiner Zweitfunktion ebenfalls aktiver Polizeipräsident einer angrenzenden Region und befürchtet, dass die verschärften Überwachungsmaßnahmen seines Kollegen auch den Verkehrsfluss und Geschwindigkeitsübermut durch seine eigene Region dämpfen, die Radareinnahmen sinken und damit seine persönliche Leistungszulage nicht mehr auf dem Radarschirm erscheinen lassen könnten.
Der zusätzlich für die Freigabe der Leistungszulage zuständige Politiker wiederum befürchtet, dass seine Region durch die verschärften Maßnahmen als autofeindlich gelten könnte, dadurch notwendige Gewerbeansiedlungen verhindert würden und sich zumindest seine autofahrenden Wähler beim nächsten Wahlgang von ihm abwenden könnten. Und da er, im Gegensatz zu seiner Polizei-, Hochschul- und Gesundheitsbehörde statt einer Leistungszulage, die wiederum nicht vom Markt, sondern von anderen Politikern begutachtet und freigegeben werden müsste, noch sein volles Gehalt bezieht, hält er den betriebswirtschaftlichen Ansatz einer leistungsgerechten Bezahlung persönlich für entbehrlich.
Nun werden Sie vielleicht fragen, vor allem die Studierenden, was dies alles mit Ihren Studienbedingungen, der Hochschule oder den Professoren zu tun hat.
Sicherlich, wir leben nicht in Anturien und es gibt bei uns auch keine gehaltsreduzierten Polizeipräsidenten, allerdings Drittmittelwerbung, Sponsorengelder sowie Leistungszulagen für Professoren und der Verfasser ist sich gar nicht sicher, ob er für diesen Artikel eine solche erhoffen darf…
P.S.
Wenn Bildung zur Ware sowie Studierende dementsprechend marktgerecht zu von pädagogischer Erziehung möglichst „verschonten “ Kunden degenerieren und Hochschulen 95% ihrer Einnahmen nicht vom Markt, sondern aus Steuergeldern erhalten und auch auch nicht pleitegehen können, wird durch das Kopieren einer falsch verstandenen Unternehmer-Semantik eine Scheindynamik suggeriert, deren zunehmende Stabsstellen innerhalb eines rasant wachsenden Wasserkopfes zu einem Wissenschafts- „Controlling“ führen, das ursprünglich motivierte Professoren demotiviert, die dann wiederum über marktferne sowie offene und verdeckte Lehrdeputatsnachlässe und Leistungszulagen motiviert werden müssen (vgl. Kühl, S. Der Mythos von der unternehmerischen Universität, FAZ Nr. 119, 23.5.2012 S. N5);
Der tragische Selbstmord eines an einer englischen Hochschule dem ständigen Druck nach Drittmitteleinwerbung nicht standgehaltenen deutschen Professors Stefan Grimm – ein renommierter und vielzitierter Pharmakologe in der medizinischen Grundlagenforschung – sowie die Klage einer Forscherin, die Universität sei zum Bordell verkommen, wo jedem ein Zimmerchen gewährt wird, der ausreichend Drittmittel einwirbt und vom Zuhälter Druck bekommt, der nicht genug anschafft, sind – noch – einzelne, verzweifelte Hilferufe, aber vielleicht auch nur die Spitze eines Eisbergs (vgl. dazu Spielsberg, A. Burchardt, M. Unter dem Joch des Drittmittelfetischs, Forschung & Lehre, 2/2015, S. 108ff).
Wirtschaft statt Behörde zwar, aber nicht Markt- , sondern Planwirtschaft, die „im echten Markt-Leben“ längst abgewirtschaftet hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 14.2.2012 das geringe Grundgehalt der neu berufenen Professoren sowie die intransparente Vergabepraxis der Leistungszulage im betroffenen Land Hessen als evident unzureichend beanstandet (vgl. Süddeutsche Zeitung 14.2.12 Link) und klargemacht, dass Hochschulen eben keine Unternehmen sind und auch nicht so geführt werden dürften.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, durch den Einzug der Gesetze des Marktes als Maß aller Dinge mit arbeitsmarktgefügiger Bachelor-Studienreform und Firmen-Sponsoring zählt die Verwertbarkeit oft mehr als wissenschaftliche Neugier und es wurden Hochschulen geschaffen, die manchmal den Anschein erweckten, als stünden sie kurz vorm Börsengang. (Osel, J. Wer sein Fach versteht, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 38 vom 15.2.2012, S. 4)
Da, anders als bei Lebensmittel und Arztleistungen, die Mitwirkung der „Kunden“ zum Produkterfolg vom „Verkäufer“ in einem für den „Käufer“ wertvollem Zeugnis bewertet wird, kann der „Verkäufer“ durch eine beschönigende Benotung selbst bei unzureichender Leistungs- und Mitwirkungsqualität den Produktwert in den Augen der „Kunden“ steigern, vergleichbar einer ökonomisierten staatlichen Gerichtsbarkeit, die bei Einführung einer unternehmerischen Wettbewerbswirtschaft mit privaten Gerichten durch gefällige Urteile um die Gunst ihrer „Kunden“ buhlen müsste, um langfristig ihre Kundenfreundlichkeit und damit Existenz zu sichern.
Dass deren Urteile in den Augen der Gesellschaft bald nichts mehr wert wären ist so offensichtlich wie das Urteil der Wirtschaft über Zeugnisnoten sich miteinander im Wettbewerb fühlender Hochschulen, die ihre Mitarbeiter organisatorisch über sog. Zielvereinbarungen zu politisch gewünschten niedrigeren Quoten von Studienabbrechern angesichts sonst übervoller Hörsäle und anschwellender Wiederholungsprüfungen inkl. deren umfangreicher Korrekturarbeiten motivieren.
Wenn dann nicht nur Hochschulen, sondern auch innerhalb dieser einzelne Fächer im Rahmen einer für die „Kunden“ als attraktiv empfundenen Auswahl- bzw. Abwahlmöglichkeit miteinander konkurrieren sollen, werden nach allgemeiner (Studenten-) Lebenserfahrung die arbeitsaufwendigsten und am wenigsten anschaulichen Fächer sowie deren Dozenten um ihre Lehrexistenz kämpfen und ihre idealistisch hohen Ansprüche wie einst die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten dem Niveau der privaten Anbieter oder „coolsten“ Lehrveranstaltungen im Haus angleichen müssen.
Eine sich über einen Zeitraum von 12 Jahren erstreckende Auswertung der offiziellen Hochschulprüfungsstatistik ergab bei externen Prüfern (Staatsexamen) signifikant schlechtere Noten als bei Prüfern der hochschuleigenen Fakultät für die jeweils gleichen Fächer und die Autoren der Studie fragen, ob dies schon ein Indiz eines „Entlastungsvertrages“ zwischen Prüflingen und Prüfenden ist (vgl. Müller-Benedict, V. Tsarouha, E. Können Examensnoten verglichen werden? Eine Analyse von Einflüssen des sozialen Kontextes auf Hochschulprüfungen. Zeitschrift für Soziologie, Heft 5/2011, zitiert in: Wagner, G. In beiderseitigem Einvernehmen, FAZ 18.4.2012, S. N5).